Großes Theater auf kleiner Bühne
Alte Marionetten aus Böhmen
Über 250 historische Marionetten und mehrere eindrucksvolle Bühnenaufbauten sind in dieser facettenreichen Sonderausstellung zu sehen. Alle Marionetten dieser Ausstellung wurden zwischen 1870 und 1950 in Böhmen hergestellt, wo die alte Tradition des Puppenspiels bis heute lebendig ist. Von dort bereisten Puppenspieler seit Generationen mit ihren Wandertheatern ganz Europa. Sie zogen mit ihrem Wagen durch das Land, von Dorf zu Dorf, von einer Stadt in die andere.
Mit Aufführungen von Klassikern der Literatur und Opernwelt traten Wanderspieler mit ihren größeren Bühnen vor allen sozialen Schichten und Altersgruppen auf. Die mittlere Bühnegröße diente wohl als Tischbühne für Schulen. Die kleinsten Bühnen standen als Privattheater zu Hause bei begüterten Familien. Das Figurenrepertoire umfasste sowohl die klassischen Figuren wie Königspaar, Hofvolk, Don Juan, Großvater und Großmutter, Kasperl und Hofnarr sowie viele mystische Figuren wie Zauberer, Tod, Teufel und grimmige Wassergestalten.
Die Ausstellung nimmt Bezug auf die Geschichte des Wander-Marionettenspiels, die klassischen Bühnenstücke und die große Spannweite der Marionetten und Bühnenaufbauten aus Böhmen. Die handgearbeiteten Figuren sind unterschiedlich groß (zwischen 10 und 80 cm) und werden in Themengruppen oder in kleinen Szenen auf Originalbühnen ausgestellt. Etliche sind ganz aus Holz geschnitzt, andere haben Köpfe und Gliedmaßen aus Masse oder Gips. Die Kleidung ist aufwändig genäht und verziert. Ebenfalls weitgehend originale Kulissen, Bühnenvorhänge und Requisiten bestimmen die malerischen Bühnenaufbauten.
Im Stadtmuseum Fürstenfeldbruck werden neben einer Vielfalt von Marionettentypen die einst gängigsten Szenen auf Originalbühnen nachgestellt. So können die Besucher neben einer höfischen Szene mit König, Königin, Prinzen, Rittern und Edelleuten auch eine ländliche Szene mit Bauer, Knecht, Magd, Räuber und Gendarm entdecken oder sich von Märchen- und allegorischen Szenen mit Teufeln, Hexen und Wassermännern verzaubern lassen.
In beinahe jeder Inszenierung wurde dem Kasperl oder Kasparek eine wichtige Rolle zuteil. So wird eine große Zahl dieser liebenswürdigen, aber auch frechen und sozialkritischen Figuren vorgestellt.
Alle Originale stammen aus der Sammlung von Anita und Hartmut Naefe aus dem niederbayerischen Viechtach. Als im Laufe der Zeit die Kunst der Wanderbühnen und Marionettentheater fast ausstarb und die wertvollen Puppen und Theaterinventare verloren zu gehen drohten, entdeckte das Ehepaar Naefe immer wieder übrig gebliebene Theaterschätze auf Flohmärkten und alten Speichern. So entstand eine der bedeutendsten Marionettensammlungen Deutschlands, die heute mehr als 400 historische Puppen umfasst.